Tango Noir: Tanz der dunklen Mächte

Der Politikwissenschafter Anton Shekhovtsov zeigt in seinem aktuellen Buch, dass die Verbindungen des Kremls mit rechtsextremen Akteuren im Westen tief in die Zeit des Sowjet- und postsowjetischen Regimes zurückreichen.

Von Eva Zelechowski

“Es existiert kein vollständiges Bild der Beziehungen zwischen Moskau und den rechtsextremen Organisationen sowie Politikern in Europa, den USA und Kanada”, sagt Anton Shekhovtsov. Sein Buch “Tango Noir: Russia And The Western Far Right” soll diese Lücke füllen, die trotz Bemühungen zahlreicher Experten, Analysen und journalistischer Aufbereitung des Themas herrscht. Er möchte damit eine tiefere Recherche dieses vielschichtigen Phänomens mit all seinen Faktoren auslösen.

Shekhovtsov erläutert, warum und wann Politexperten und Medien auf die Beziehungen zwischen Russland und rechtsradikalen Akteuren aufmerksam wurden, gibt Aufschluss darüber, in welchen Formen diese Verbindungen in Erscheinung treten und welche Merkmale sie auszeichnen. Dies begann zwar etwa 2007, Shekhovtsov blickt jedoch bis in die 1920-er und 1950-er zurück, als sich Moskau Europas Ultra-Nationalisten zuwandte.

Hintergründe, Motive, Strategien

Sorgfältig zeigt er die Hintergründe, Motive und Strategien auf, die der Kreml seit damals bis heute hartnäckig verfolgt. Er fragt nicht nur nach historischen Bezügen, etwa wie sich die Rechtsextremen in Europa und den USA in der Zeit des Kalten Krieges prorussische Einstellungen zu eigen machten. Er analysiert auch die Rolle Präsident Putins, der sich als Präsident mit autoritären Zügen als Benchmark für Rechtspopulisten wie Donald Trump, Marine Le Pen und Heinz-Christian Strache etabliert hat.

2013 wurden Annäherungen auffällig

Knapp vier Jahre lang recherchierte der Politikwissenschafter für das Buch und beobachtete die Verbindungen zwischen Russland und rechtsextremen Akteuren im Westen genau. 2013 seien die Annäherungen zwischen beiden Seiten derart auffällig geworden, dass Shekhovtsov sich zu einem umfassenden Buch über den Themenkomplex entschlossen hat.

Der Leser kann sich zu Beginn einen historischen Überblick verschaffen über die Verbindungen zwischen den Sowjets und den Rechtextremen in den Neunziger Jahren. Der Großteil seiner Forschungsarbeit behandelt in weiterer Folge Putins Russland und die Nähe zur Rechten.

Unter “The Far Right” fasst Shekhovtsov einen Schirmbegriff für mehrere Ideologien zusammen. Die darin am meisten verbreitete Strömung, der Rechtspopulismus, sei an mehreren Faktoren erkennbar, schreibt Shekhovtsov, der sich dabei an d die Definition des niederländischen Professors Cas Mudde hält: Autoritär, populistisch und nationalistisch. Die Überzeugung, dass ein bestimmtes Gebiet zu einer bestimmten Nation gehört, die romantische Vorstellung eines ethnisch und kulturell homogenen Staates und die Ablehnung von Zuwanderung und einer multikulturellen Gesellschaft haben die Vertreter der “Far Right” (extrem Rechten) gemein.

Vom Rand zum Mainstream

Russlands Rechtsextreme der Gegenwart teilt Anton Shekhovtsov in zwei Gruppierungen ein: Da gibt es zum einen die ethnisch-nationalistisch Orientierten: Sie stellen die Nation Russland an die erste Stelle, möchten sogar die nicht-russischen Gebiete abstoßen und in den Westen integriert werden. Die zweite Gruppierung ist eine sehr imperialistische Form von Rechtsextremen, welche das territoriale Wachstum Russlands als Imperium beklatscht, ähnlich wie auch die Annexion der Krim und die Wiedereingliederung der Ukraine und Weißrusslands in ein großrussisches Reich.

Die Narrative der russischen Rechten, die in den Neunzigern noch kaum verbreitet und noch deutlich am Rand positioniert waren, wurden später Mehrheitsmeinung. Nach dem Georgien-Krieg von 2005 bis 2008 und speziell nach 2015 positionierte sich Putins Regime als zunehmend konservativ. Ab der zweiten Putin-Ära wurde Russland zunehmend kritischer gegenüber den USA und Europa und der Konservatismus der Partei “Einiges Russland” habe sich als Russlands Ideologie etabliert. Diese Spielart des Konservativismus unterscheidet sich laut Shekhovtsov stark vom westlichen Konservatismus, denn er habe das primäre Ziel, das “kleptokratische Regime” zu erhalten. In seinem Buch beschreibt der Autor dieses isolationistische und anti-amerikanische System sehr ausführlich und geht dabei historisch sehr in die Tiefe.

Österreichische Bündnispartner

Auch auf Österreich lenkt Shekhovtsov seine Aufmerksamkeit und beschreibt etwa die russisch-österreichischen Kontakte zwischen der FPÖ und der 2001 gegründeten Firma Austrian Technologies GmbH, welche diverse Vernetzungstreffen und Konferenzen organisierte. Aufgrund staatlicher Fördergelder sollte das Unternehmen politisch unabhängig agieren, doch die engen Kontakte zur FPÖ seien offensichtlich, schreibt der Autor im Österreich-Kapitel über die Netzwerke zwischen Europa und Moskau. So war etwa Barbara Kappel, freiheitliche EU-Abgeordnete, von 2004 bis 2007 Präsidentin der Firma. Das Engagement der Freiheitlichen in den politischen Aktivitäten von Austrian Technologies scheine der Partei bei der Etablierung von Kontakten mit offiziellen Vertretern in Russland geholfen zu haben. Vergangenen Winter kam es zu einem heute immer noch undurchsichtigen Partnerschaftsvertrag zwischen Putins Partei “Einiges Russland” und der FPÖ, den Strache samt Delegation bei einem Moskau-Trip 2016 unterzeichneten.

“Tango Noir” ist nicht nur ein wichtiger Beitrag zur politikwissenschaftlichen Auseinandersetzung mit den Themen Rechtsextremismus und Russland, sondern analysiert mit viel Expertise den aktuellen politischen Diskurs, in dem Wladimir Putins Interesse thematisiert wird, sich mit demokratisch gewählten rechtskonservativen Regierungen zu verbünden und die Russland-Sanktionen der EU aufzuheben oder zu lockern.

Welchen Ausblick gibt der Experte? Es gibt noch viel zu erforschen. Vor allem die Unterstützung aus den USA, die Zusammenhänge mit der neofaschistischen Alt-Right-Bewegung und dem rechtsextremen Online-Medium “Breitbart News” etwa. Es gilt auch zu analysieren, welche Motive einzelne Parteien und Unternehmen für Kreml-freundliche Positionen haben. Dies alles sei notwendig, um die liberale Demokratie Europas und demokratische Institutionen “des Westens” wieder zu stärken.

First published in Wiener Zeitung